Revisor als Insider bestraft
Revisor als Insider bestraft
Revisor als Insider bestraft
BGE 145 IV 407 | 6B_90/2019
X., eidg. dipl. Wirtschaftsprüfer, wurde am 7. Dezember 2007 von der Eidgenössischen Revisionsaufsichtsbehörde (nachfolgend: RAB) als Revisionsexperte zugelassen. Er war von 2007 bis 2013 Partner sowie Mitglied der Geschäftsleitung des Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmens A. AG. Am 30. Januar 2014 erstattete die RAB bei der Staatsanwaltschaft Frauenfeld Strafanzeige gegen X. wegen Widerhandlung gegen das Revisionsaufsichtsgesetz (Art. 40 aRAG) und Ausnützens der Kenntnis vertraulicher Tatsachen (aArt. 161 StGB). Die Bundesanwaltschaft erliess in der Folge einen Strafbefehl wegen Widerhandlung gegen das Revisionsaufsichtsgesetz und mehrfachen Ausnützens der Kenntnis vertraulicher Tatsachen als Primärinsider und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je CHF 650.--, bedingt aufgeschoben bei einer Probezeit von 2 Jahren, sowie zu einer Busse von CHF 7'000.-.
Die Bundesanwaltschaft wirft X. vor, er habe am 20. und 22. September 2011 4'000 Namenaktien der Bank D. erworben und dabei vertrauliche Informationen, über welche die A. AG als Revisionsstelle verfügte, ausgenützt, wonach die B. AG unter dem Projektnamen "F." die Übernahme der Bank D. plane. Nach Bekanntwerden des Übernahmeprojekts am 12./13. Oktober 2011 habe er auf den erworbenen Aktien einen unrechtmässigen Buchgewinn von CHF 29'073.20 erzielt. Das Bundesstrafgericht bestätigte die Verurteilung im Grossen und Ganzen. X. erhob Beschwerde an das Bundesgericht.
X. rügt zunächst, die vorinstanzliche Verhandlung sei infolge Mandatsniederlegung durch seinen früheren Rechtsanwalt ohne Verteidigung durchgeführt worden. Das Bundesgericht kommt zum Schluss, dass die Voraussetzungen für eine notwendige Verteidigung in diesem Fall nicht erfüllt gewesen seien. X. habe weder Untersuchungshaft ausgestanden, noch habe ihm eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr oder eine freiheitsentziehende Massnahme gedroht oder war er unfähig, seine Verfahrensinteressen zu wahren. Die Staatsanwaltschaft hat zudem auf ihre persönliche Teilnahme an der Verhandlung verzichtet. Im Übrigen ist der Verzicht der Bundesanwaltschaft auf das persönliche Erscheinen an der Hauptverhandlung vor dem Hintergrund zu sehen, dass der frühere Verteidiger von X. sein Mandat kurze Zeit vor der Verhandlung und damit - angesichts der drohenden Verjährung - zur Unzeit niedergelegt habe. Auch im Rahmen der notwendigen Verteidigung verdiene eine missbräuchliche Berufung auf die Verteidigungsrechte, namentlich die Benutzung des Rechtsinstituts zur Verfahrensverzögerung, keinen Schutz.
Auch materiell fanden die Rügen von X. kein Gehör: Aus einer ex ante-Betrachtung war durchaus erkennbar, dass die Vorkommnisse im Rahmen der geplanten Transaktion geeignet waren, den Kurs der Aktien der Bank D. erheblich zu beeinflussen. Dass sich im vorliegenden Fall das Übernahmeprojekt letztendlich nicht verwirklicht hat und das Aktienpaket der Bank C. von der E. Group übernommen wurde, ändert aus Sicht des Bundesgerichts daran nichts. Denn eine Tatsache im Sinne der Strafbestimmung liege nicht erst dann vor, wenn etwaige Übernahmeverhandlungen abgeschlossen sind und eine Akquisition definitiv besiegelt sei. Vielmehr habe schon der blosse Umstand, dass Übernahmeverhandlungen geführt wurden, den Kurs der D.-Aktien erheblich beeinflusst. Zu Recht bejaht die Vorinstanz auch die Vertraulichkeit der Transaktion.
Die Vorinstanz hat die Kursrelevanz auch mit zureichenden Gründen nach dem sog. "Reasonable Investor Test" beurteilt und sie als gegeben erachtet, wenn ein vernünftiger Anleger die Information mit erheblicher Wahrscheinlichkeit als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung nutzen würde. Im Übrigen werden in der Literatur beim Aktienhandel nicht erst Kursschwankungen von 20% und mehr, sondern auch bereits Bewegungen von 5-10% als relevant erachtet.
Wer auf ein Auskunftsbegehren keine, eine unvollständige oder falsche Auskunft erteilt, macht sich nach aArt. 40 Abs. 1 lit. b RAG strafbar. Auch diese Verurteilung erfolgte zu Recht. Nach der Rechtsprechung verstossen blosse Aufforderungen, in einem Verwaltungs- oder Strafverfahren Dokumente einzureichen, die nicht mit einer Strafdrohung wegen Ungehorsams verbunden sind, nicht gegen Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Die blosse Aufforderung, in einem solchen Verfahren Dokumente einzureichen, zu deren Erstellung eine gesetzliche Pflicht besteht, verletzt für sich allein den nemo-tenetur-Grundsatz nicht. Könnte die Aufsichtsbehörde auf diese Unterlagen trotz entsprechender gesetzlicher Grundlagen nicht zurückgreifen, würde die aufsichtsrechtliche Durchsetzung der materiellen gesetzlichen Pflichten in beaufsichtigten Wirtschaftsbereichen praktisch verunmöglicht. Hievon zu unterscheiden ist gemäss dem Bundesgericht die Frage, ob die unter Mitwirkung der Parteien in einem Verwaltungsverfahren gewonnenen Beweismittel allenfalls in einem nachfolgenden Strafverfahren verwertet werden dürfen. Wie die Vorinstanz zutreffend erkennt, ist im zu beurteilenden Fall nicht ersichtlich, inwiefern die betreffenden Auskünfte und Unterlagen den Beschwerdeführer in strafrechtlicher Hinsicht hätten belasten können.