Kreditbetrug: Bereicherungsabsicht und Opfermitverantwortung
Kreditbetrug: Bereicherungsabsicht und Opfermitverantwortung
Kreditbetrug: Bereicherungsabsicht und Opfermitverantwortung
6B_480/2018
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau wirft X. vor, in unrechtmässiger Bereicherungsabsicht einen Privatkredit von CHF 60'000.- erhältlich gemacht zu haben, indem er im Kreditantrag wahrheitswidrig angegeben habe, monatlich CHF 8'806.40 zu verdienen. Er habe eine falsche Lohnabrechnung erstellt und einmal die angebliche Lohnsumme auf sein Konto überwiesen. Die erste Instanz sprach X. vom Vorwurf des Betruges frei, das Obergericht befand X. hingegen schuldig. X. beantragt vor Bundesgericht einen Freispruch. X. macht geltend, der Tatbestand des Betrugs sei nicht erfüllt. Weder habe sich die Bank in einem Irrtum über seine künftigen Einkommensverhältnisse befunden, noch habe er hierüber arglistig getäuscht. Auch eine relevante Vermögensgefährdung habe zum Zeitpunkt der Kreditaufnahme nicht bestanden.
Ein Kreditbetrug besteht darin, dass der Borger beim Abschluss des Darlehensvertrages über seine Kreditwürdigkeit und damit über die Sicherheit der Forderung oder über seinen Rückzahlungswillen täuscht. Werden dem Kreditgeber nicht vorhandene Sicherheiten vorgetäuscht, ist das ganz oder teilweise ungesicherte Darlehen weniger wert als er meint. Der Vermögensschaden ist in solchen Fällen nicht erst bei einem definitiven Ausfall der Forderung gegeben; er tritt bereits dann ein, wenn eine qualifizierte Vermögensgefährdung (sog. Gefährdungsschaden) vorliegt. Freilich ist Betrug ein Verletzungs- und nicht ein Gefährdungsdelikt. Ein Gefährdungsschaden darf deshalb nicht leichthin angenommen werden.
Es ist erstellt, dass X. in den Monaten Januar bis März 2011 jeweils durchschnittlich CHF 8'708.50 für private Zwecke als Lohn aus der Gesellschaft bezogen hat. Dies, obwohl das Geschäftskonto bereits im Dezember 2010 einen Negativsaldo von beinahe CHF 11'000.- und Ende Februar 2011 einen solchen von mehr als CHF 8'500.- aufwies. Im März 2011 hat X. den Rest des aufgenommenen Kredits, total CHF 41'000.-, zur Schuldentilgung der Gesellschaft verwendet (CHF 15'000.-) bzw. für sich selbst - offensichtlich als Lohn - bezogen (CHF 19'000.-). Dies deckt sich im Wesentlichen mit seinen Angaben, wonach er den Kredit als Überbrückung aufgenommen habe um grosse Debitorenverluste abzufangen. Zwar konnte sich X. somit im März 2011 faktisch nur aufgrund der Kreditaufnahme einen Lohn ausrichten. Daraus kann jedoch - entgegen der Auffassung der Vorinstanz - nicht geschlossen werden, dass er zu diesem Zeitpunkt klarerweise nicht willens oder fähig gewesen wäre, den Kredit in 60 monatlichen Raten zurückzubezahlen. Auch hat er die Bank weder über seine damaligen Einkommensverhältnisse noch über das - unbefristete - Arbeitsverhältnis getäuscht, zumal er, wie die Vorinstanz willkürfrei annimmt, tatsächlich während drei Monaten einen dem deklarierten Betrag entsprechenden Lohn bezogen hat. Ebenso wenig kann unter diesen Umständen von einem ganzen Lügengebäude gesprochen werden, weil X. einmalig eine Lohnabrechnung erstellt hat, anstatt wie üblich den Lohn nach Bedarf vom Geschäftskonto zu beziehen. So gingen denn auch offensichtlich weder die Staatsanwaltschaft noch die Vorinstanz insoweit von einer Urkundenfälschung aus. Damit folgt das Bundesgericht X. in der Argumentation, dass ihm trotz der schon damals schwierigen Finanzlage der Gesellschaft nicht vorgeworfen werden könne, den Kredit in Bereicherungsabsicht oder vorsätzlich zum Schaden der Bank aufgenommen zu haben.
Im Übrigen stimmt das Bundesgericht X. zu, dass die Kreditgeberin den teilweisen Zahlungsausfall ihrer eigenen Unvorsichtigkeit zuzuschreiben habe (im Sinne der Opfermitverantwortung). Dass sie lediglich eine einzige Lohnabrechnung sowie einen Kontoauszug verlangt und keine weiteren Abklärungen zur Bonität des Schuldners getroffen habe, muss für eine auf die Vergabe von Kleinkrediten spezialisierte Bank als fahrlässig bezeichnet werden. Der Eintritt eines kalkulierten, der Kreditvergabe immanenten (und mit 10% Zins vergüteten) Risikos verdient unter diesen Umständen keinen strafrechtlichen Schutz.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde von X. gut und spricht ihn direkt vom Vorwurf des Betruges frei.