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Keine Staatshaftung im Fall Holenweger

Keine Staatshaftung im Fall Holenweger

Rechtsprechung
Allgemeines Strafrecht

Keine Staatshaftung im Fall Holenweger

2C_809/2018

Das Bundesgericht lehnt die Staatshaftungsklage von zwei Aktionären ab ("Fall Holenweger"). Holenweger war Gründer und zuletzt Hauptaktionär einer Privatbank in Zürich. Als er 2003 verhaftet wurde, schritt auch die damalige Eidgenössische Bankenkommission (EBK) und heutige Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) aufsichtsrechtlich gegen die Bank ein. Die Aktionäre stimmten 2004 schliesslich dem Verkauf der Bank zu. Die laufende Strafuntersuchung hatte zu einem Abfluss von Kundengeldern geführt. Die Aktionäre musste ihre Aktien in der Folge verkaufen. Wegen dieses "Notverkaufs" gelangten Holenweger und ein ehemaliger Mitaktionär 2012 an das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD). Sie machten Schadenersatzansprüche gegen die Eidgenossenschaft geltend und verlangten vom Bund 16,2 Millionen beziehungsweise 1,1 Millionen Franken. Ihren Anspruch begründeten sie damit, der Tempus Privatbank seien durch das widerrechtliche Verhalten der Bundeskriminalpolizei, der BA und der EBK direkte Kosten und ein erheblicher Reputationsschaden entstanden. Am Ende hätten die Aktionäre keine andere Wahl mehr gehabt, als die Bank zu verkaufen. Dabei sei aufgrund des zeitlichen Drucks, des Abflusses von Kundengeldern infolge des Vertrauensverlusts und der durch die Intervention der EBK direkt entstandenen Kosten ein Verkaufspreis erzielt worden, der wesentlich unter dem eigentlichen Wert der Bank gelegen habe. Doch sowohl das EFD als auch das später angerufene Bundesverwaltungsgericht wiesen das Begehren ab.

Das Bundesgericht hatte zuerst zu bestimmen, nach welchen materiellen Rechtsgrundlagen sich die geltend gemachten Ansprüche beurteilen. Art. 429 Abs. 1 lit. b StPO begründet eine Kausalhaftung des Staates. Dieser muss den gesamten Schaden wiedergutmachen, der mit dem Strafverfahren in einem Kausalzusammenhang im Sinne des Haftpflichtrechts steht (BGE 142 IV 237 E. 1.3.1 S. 239 f.). Die in Art. 429 StPO enthaltene Haftungsgrundlage ist als materielle Rechtsgrundlage nicht auf Sachverhalte anwendbar, die sich vor deren Inkrafttreten am 1. Januar 2011 verwirklicht haben. Das Bundesgericht kommt zum Schluss, dass hier die "normalen" Bestimmungen des VG anwendbar sind.

Vorliegend steht ein reiner Vermögensschaden zur Diskussion, so dass die Widerrechtlichkeit in Form eines Verhaltensunrechts erforderlich ist. Die Beschwerdeführer stützen den Vorwurf der Widerrechtlichkeit einerseits darauf, die Bundesanwaltschaft habe bei Einleitung und Führung des Strafverfahrens Vorschriften des damals anwendbaren Strafprozessrechts verletzt, andererseits darauf, die EBK und die KPMG hätten aArt. 23quater BankG verletzt.

Das Bundesgericht führt dazu aus: "Der unter dem Druck der Strafverfolgung erzwungene Verkauf der C. AG am 2. Februar 2004 und der dadurch realisierte und definitiv gewordene Wertverlust der Aktien der Beschwerdeführer war ungewollt und ist somit auch aus Sicht des Bundesgerichts als Schaden im Sinne der Rechtsprechung zu qualifizieren. Nach den Grundsätzen des schweizerischen Haftpflichtrechts, die der Haftung vernünftige Grenzen setzen wollen, hat prinzipiell nur derjenige einen ersatzpflichtigen Schaden erlitten, der durch das widerrechtliche Verhalten direkt betroffen ist und dem ein direkter Schaden in seinem Vermögen eingetreten ist. Ob der Vermögensschaden eines Dritten als unmittelbarer oder als mittelbarer Schaden gilt, wird im Haftpflichtrecht grundsätzlich danach unterschieden, ob der Schaden innerhalb der Kausalkette durch das schädigende Verhalten oder das Hinzutreten weiterer Schadensursachen hervorgerufen wurde. (...) Vorliegend machen die Beschwerdeführer indes keine Verletzung in absolut geschützten Rechtsgütern, sondern einen reinen Vermögensschaden geltend. In Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Haftpflichtrechts wird im Bereich der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit der direkte vom indirekten Schaden nach der betroffenen Vermögensmasse abgegrenzt und der durch eine Wertminderung der Aktien verursachte Schaden als ein unmittelbarer Schaden der Gesellschaft qualifiziert, während der (auf dem weiteren Element "Anteilseignerschaft" in der Kausalkette beruhende) Schaden, der den Aktionär in seiner Eigenschaft als Anteilseigner der direkt geschädigten Gesellschaft trifft, als mittelbarer Schaden eingestuft wird. Der unter dem Druck der Strafverfolgung erzwungene Verkauf der C. AG am 2. Februar 2004 bzw. der dadurch realisierte und definitiv gewordene Wertverlust der Aktien der Beschwerdeführer ist ein reiner Vermögensschaden der Beschwerdeführer, welcher indes im Sinne der zitierten Rechtsprechung als ein indirekter und damit nicht ersatzfähiger Schaden zu qualifizieren ist. Damit erweist sich das Schadenersatzbegehren der Beschwerdeführer als unbegründet (...)." Beim geltend gemachten Schaden handelt es sich nach Ansicht des Bundesgerichts daher um Verluste infolge Wertverminderung der Aktien und damit um einen reinen Vermögensschaden; direkt geschädigt wird dabei gemäss Rechtsprechung einzig die Gesellschaft. Der Aktionär als Anteilseigner erleidet dagegen lediglich einen indirekten Schaden, der nicht ersatzfähig ist. 

iusNet StrafR-StrafPR 06.07.2019