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Wann droht Überhaft?

Wann droht Überhaft?

Rechtsprechung
Allgemeines Strafrecht

Wann droht Überhaft?

BGE 145 IV 179 | 1B_116/2019

A. wurde erstinstanzlich zu 26 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. An die Strafe wurden 432 Tage Untersuchungs- und Sicherheitshaft angerechnet. Weiter wurde bis zur Rechtskraft des Urteils oder bis zum Antritt einer freiheitsentziehenden Sanktion, längstens jedoch bis zum 30. November 2018, die Verlängerung der Sicherheitshaft angeordnet. A. erklärte gegen dieses Urteil Berufung. Die Staatsanwaltschaft erhob keine Anschlussberufung. Eine von A. gegen die Anordnung von Sicherheitshaft erhobene Beschwerde wies das Obergericht ab. Mit Urteil 1B_348/2018 vom 9. August 2018 wies das Bundesgericht eine dagegen erhobene Beschwerde ebenfalls ab. Am 17. September 2018 wurde A. der vorzeitige Strafvollzug bewilligt. Am 15. November 2018 stellte er ein Entlassungsgesuch. Mit Verfügung vom 23. November 2018 wies das Obergericht das Gesuch ab. Dagegen gelangte A. erneut ans Bundesgericht, das seine Beschwerde mit Urteil 1B_566/2018 vom 21. Januar 2019 wiederum abwies. Mit Eingabe vom 24. Januar 2019 stellte A. abermals ein Gesuch um Entlassung aus dem vorzeitigen Strafvollzug. Mit Verfügung vom 13. Februar 2019 wies das Obergericht das Gesuch ab. Auch mit vorliegender Beschwerde in Strafsachen beantragt A., die Verfügung des Obergerichts sei aufzuheben und er selbst aus dem vorzeitigen Strafvollzug zu entlassen. Er macht einzig geltend, es liege Überhaft vor. 

Das Bundesgericht erwägt gemäss gefestigter Rechtsprechung, dass wenn bereits ein richterlicher Entscheid über das Strafmass vorliege, dies ein wichtiges Indiz für die mutmassliche Dauer der tatsächlich zu verbüssenden Strafe darstelle (BGE 143 IV 160 E. 4.1). Nach der Rechtsprechung ist zudem bei der Prüfung der zulässigen Haftdauer der Umstand, dass die in Aussicht stehende Freiheitsstrafe bedingt oder teilbedingt ausgesprochen werden kann, wie auch die Möglichkeit einer bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug im Grundsatz nicht zu berücksichtigen. Damit blieb noch zu prüfen, ob die Haftdauer unabhängig von der Nichtberücksichtigung der Möglichkeit der bedingten Entlassung in grosse Nähe zur zu erwartenden Freiheitsstrafe rücke. Die Aufrechterhaltung der Sicherheitshaft nach Ablauf von drei Vierteln der Strafe, die im Rechtsmittelverfahren nur noch verkürzt, aber nicht mehr erhöht werden konnte, kann nicht unbesehen als unverhältnismässig angesehen werden. Im Sinne einer Klarstellung bestätigte das Bundesgericht, dass der Verhältnismässigkeitsgrundsatz von den Behörden verlangt, umso zurückhaltender zu sein, als sich die Haft der zu erwartenden Freiheitsstrafe nähert; dabei ist jedoch nicht das Verhältnis der erstandenen Haftdauer zur zu erwartenden Freiheitsstrafe als solches entscheidend, sondern ist vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen.

A. drohten 32 Monate Freiheitsentzug. Zum Zeitpunkt des Urteils des Bundesgerichts war er rund 24 Monate in Haft. Aus Sicht des Bundesgerichts droht bei dieser Ausgangslage noch keine Überhaft. Die Beschwerde wurde daher abgewiesen. 

iusNet StrafR-StrafPR 30.04.2019