Aufklärung künftiger Straftaten mittels DNA-Profilen
Aufklärung künftiger Straftaten mittels DNA-Profilen
Aufklärung künftiger Straftaten mittels DNA-Profilen
BGE 145 IV 263 | 1B_17/2019
Die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat führt ein Strafverfahren gegen A. betreffend Drohung, Sachbeschädigung, einfache Körperverletzung und eventuell Hausfriedensbruch. Das Verfahren betrifft einen Vorfall, anlässlich dessen A. beim Verlassen einer Arztpraxis mit einem Brecheisen die Eingangstüre aus Glas, einen Blumentopf und die Dachrinne beschädigte. Zuvor soll er den Arzt und dessen Mitarbeiter bedroht haben. Ersterer soll zudem durch Glassplitter oberflächliche Schnittwunden erlitten haben. Die Staatsanwaltschaft verfügte, dass von einem bereits vorhandenen Wangenschleimhautabstrich von A. ein DNA-Profil zu erstellen sei. Das Obergericht wies seine Beschwerde ab. A. gelangt ans Bundesgericht und beantragt, den Entscheid des Obergerichts aufzuheben sowie die unverzügliche Löschung des DNA-Profils anzuordnen, soweit dieses bereits erstellt worden sei.
Die Vorinstanz erachtet die Erstellung eines DNA-Profils weder für die Abklärung der dem Beschwerdeführer im Zusammenhang mit dem Vorfall in der Arztpraxis zur Last gelegten Straftaten noch für die ihm in einem weiteren Strafverfahren vorgeworfenen Widerhandlungen gegen das Waffengesetz als erforderlich. Sie verneint zudem konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer sonst Straftaten begangen haben oder in solche verwickelt gewesen sein könnte, weshalb die Erstellung eines DNA-Profils auch insoweit nicht notwendig sei. Die Profilerstellung sei jedoch mit Blick auf mögliche künftige Sachbeschädigungen gerechtfertigt. A. hält Letzteres für bundesrechtswidrig. Für die Erstellung eines DNA-Profils im Hinblick auf allfällige künftige Straftaten mangle es an einer gesetzlichen Grundlage.
Gemäss Art. 255 Abs. 1 lit. a StPO kann von der beschuldigten Person zur Aufklärung eines Verbrechens oder eines Vergehens eine Probe genommen und ein DNA-Profil erstellt werden. Das Bundesgericht anerkennt zwar, dass aus diesem Wortlaut durchaus abgeleitet werden könne, ein solches Vorgehen sei nur möglich zur Abklärung bereits begangener und den Strafverfolgungsbehörden bekannter Delikte, deren die beschuldigte Person verdächtigt werde. Es hält jedoch dafür, dass gemäss ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung eine derartige enge Auslegung nicht Sinn und Zweck der Bestimmung entspreche. An dieser weiten Auslegung von Art. 255 StPO, welche wohl auch der überwiegenden Lehrmeinung entspreche (wobei im Basler Kommentar und auch von Prof. Ruckstuhl explizit eine abweichende Meinung vertreten wird, Anmerkung der Redaktion), hält das Bundesgericht fest, ohne im Detail darauf einzugehen.
Weiter führt das Bundesgericht aus, es stehe fest, dass erkennungsdienstliche Massnahmen und die Aufbewahrung dieser Daten das Recht auf persönliche Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV) und auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 13 Abs. 2 BV und Art. 8 EMRK) berühren können. Das Bundesgericht geht dabei praxisgemäss von einem leichten Eingriff aus. Wie jeder Grundrechtseingriff muss dieser auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt und verhältnismässig sein (Art. 36 BV). Art. 255 StPO erlaubt auf jeden Fall nicht die routinemässige Entnahme von DNA-Proben und deren Analyse. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichts ist die Erstellung eines DNA-Profils, das nicht der Aufklärung der Straftaten eines laufenden Strafverfahrens dient, nur dann verhältnismässig, wenn erhebliche und konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die beschuldigte Person in andere - auch künftige - Delikte verwickelt sein könnte. Dabei muss es sich allerdings um Delikte von einer gewissen Schwere handeln. Bezüglich allfälliger künftiger Straftaten kann es aus Gründen der Logik (noch) keinen hinreichenden Tatverdacht im Sinne von Art. 197 Abs. 1 StPO geben. Das Bundesgericht löst diese Problematik, in dem in Bezug auf allfällige künftige Straftaten "Anhaltspunkte im genannten Sinn" (z.B. vorhandene Vorstrafe und weitere Umstände, wobei das Bundesgericht nicht konkreter wird) genügen sollen.
Es erstaunt unter diesen Umständen wenig, dass das Bundesgericht auch im konkreten Fall zum Schluss kam, dass die Verhältnismässigkeit in einer Gesamtbetrachtung gegeben war und die Erstellung des DNA-Profils daher zulässig ist.