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Tragweite des Territorialitätsprinzips bei technischen Überwachungsmassnahmen

Tragweite des Territorialitätsprinzips bei technischen Überwachungsmassnahmen

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Tragweite des Territorialitätsprinzips bei technischen Überwachungsmassnahmen

1B_164/2019, zur Publikation vorgesehen

Der Beschwerdeführer hat mutmasslich einem Rauschgifthändlerring angehört, der an der Waadtländer Riviera tätig ist. Zwischen Juni 2017 und März 2018 erhielt die Staatsanwaltschaft des Kreises Waadt Ost vom Zwangsmassnahmengericht die Bewilligung, namentlich geheime technische Überwachungsmassnahmen anzuwenden. In mehreren vom Beschwerdeführer verwendeten Fahrzeugen wurden GPS-Tracker und Mikrophone angebracht. Während der Überwachungsdauer begab sich der Beschwerdeführer wiederholt mit dem Auto ins Ausland. Er beschwerte sich erfolglos bei der Staatsanwaltschaft und bei der strafrechtlichen Rekurskammer des Kantons Waadt gegen die Verwendung der auf diesem Weg im Ausland erlangten Aufzeichnungen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und weist die Sache an die Vorinstanz zurück. Diese hat die Örtlichkeiten zu bestimmen, an welchen Aufzeichnungen erfolgt sind sowie das anwendbare Recht, soweit dies ausserhalb der Schweiz geschehen ist. Falls keine internationalen Abkommen bestehen, welche die Aufzeichnungen durch Schweizer Behörden auf ausländischem Territorium ohne weitere – insbesondere vorgängige – Formalitäten gestatten, hat das kantonale Gericht die unverzügliche Vernichtung dieser in unerlaubter Weise erlangten Beweismittel zu veranlassen. Dasselbe gilt für Aufzeichnungen, die nicht lokalisiert werden können. Wie das Bundesgericht weiter darlegt, kann von den Schweizerischen Strafverfolgungsbehörden in der Tat nicht erwartet werden, dass sie sich von eventuellen Fahrten mit in der Schweiz rechtmässig überwachten Personenwagen ins Ausland vorzeitig Kenntnis verschaffen. Aufgrund des Territorialitätsprinzips darf ein Staat jedoch keine Ermittlungs- und strafrechtlichen Verfolgungsmassnahmen auf dem Gebiet eines anderen Staates vornehmen, ohne dass dieser zustimmt. Eine technische Überwachungsmassnahme auf dem Gebiet eines anderen Staates muss in der Regel in Anwendung des internationalen Rechts (Staatsvertrag, bilaterales Abkommen, internationales Gewohnheitsrecht) oder, falls keine solche völkerrechtliche Grundlage vorliegt, nach Massgabe der vorgängigen Zustimmung des betroffenen Staates, mit Rücksicht auf die Regeln der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen, in die Wege geleitet werden. Im vorliegenden Fall hat die Staatsanwaltschaft es unterlassen, die ausländischen Behörden um Zustimmung zur Vornahme geheimer technischer Vorkehren zu ersuchen. Davon durfte sie jedoch nicht absehen, da Regeln auf dem Gebiet der Rechtshilfe fehlen, welche die getroffenen Vorkehren von vornherein als zulässig erklären. Mangels Einwilligung der Behörden der betroffenen ausländischen Staaten sind die im Ausland vorgenommenen Aufzeichnungen zurzeit nicht erlaubt und dürfen nicht verwendet werden.

iusNet StrafR-StrafPR 17.12.2019